Frieden in Zeiten der Angst

Wie wir mit uns und unserem Leben Frieden schließen – Und was das mit dem Frieden in der Welt zu tun hat

Abdruck eines Sperlings im Schnee. Frieden in Zeiten der Angst.

In herausfordernden Zeiten ist es hilfreich und oft auch einfach notwendig, gut in sich selbst zentriert zu bleiben, um den inneren und äußeren Widerständen in Form von Angst und Gewalt etwas entgegenhalten zu können. Wenn Angst in Aggression umschlägt, ist es an der Zeit, die eigenen Ängste zu durchleuchten und den inneren Frieden zu stärken.

Die Rolle des Verstandes und seiner Narrative

Der Verstand ist nicht nur das Ding da oben im Kopf, irgendwie abgespalten vom Rest des Körpers und sich selbst als „Ich“ denkend und bezeichnend. Er ist ein Chamäleon, beherrscht Mimikry und Mimese in Reinkultur und frisst sogar Kreide, wenn es sein muss. Er ist aber ebenfalls das Zicklein im Uhrenkasten und das aufgefressenen Rotkäppchen. Er ist Coyote und fällt in jeden Fettnapf, dem man ihn bereitstellt. Ich möchte das ein bisschen genauer erklären.

Im Human Design werden die offenen Zentren ja gemeinhin als Sitz des Nicht-Selbst-Verstandes gelehrt. Diese Zentren gehören bis auf Ajna und Kopfzentrum doch zum Körper, oder nicht? Ja, gewiss. Und doch sind sie wie Leerstellen, die unser Verstand mit Narrativen aufzufüllen vermag, weil er Sinn und Logik aus den unlogischen, sinnleeren oder einfach rätselhaften Begebenheiten, die er als angeblicher Kapitän auf dem Körperschiff im Laufe seines Lebens auf den Wellen des Schicksals erlebt, deuten will. Denn: Ohne Deutung geht seine Bedeutung als Kapitän leicht über Bord.

Hilflosigkeit

Jedes offene Zentrum bildet so eine Geschichte in sich, ein Narrativ, das zuerst ausgebildet und dann weiter gefüttert werden muss. Diese Story über uns selbst führen wir dann oft bis zum Lebensende gnadenlos weiter. Natürlich, wir werden alle konditioniert, wir können dem nicht entgehen, schon gar nicht als Kinder. Wir sind den Umständen, die sich tief in unsere Neurologie eingraben, hilflos ausgeliefert. Diese Hilflosigkeit akzeptiert unser Verstand aber nicht.

Jetzt könnte mein Text auch schon enden. Denn was sollten wir tun mit einem Kapitän, der keiner ist? Wäre da nicht, ja wäre da nicht noch ein anderes Bewusstsein in uns, dass sich all dessen gewahr werden kann. Das aussteigen kann aus den Halbwahrheiten und Lügen, die uns beigebracht wurden über uns und die wir uns dann weitererzählen, Tag für Tag. Die uns immer tiefer hineinführen in ein Leben als Opfer, in ein Leben, das Angst, Scham und Schuld kennt und gerade deswegen alles dafür tut, das zu kompensieren durch Streben nach Macht, Ansehen und materiellem Überfluss.

Normopathie

Wir sind also Teil der normopathischen Gesellschaft – frei nach Dr. Maaz: Die Normopathische Gesellschaft und das falsche Leben –  ob wir es wollen oder nicht, ob wir es akzeptieren oder nicht. Das Sein wird überlagert vom Haben, das Erfahren des Lebens wird eingepasst in bereits vorhandene Schablonen, die wiederum unserer Kultur angepasst sind und aus ihr entstehen. Ein normales Leben, eben…

Die Automatik des Nicht-Selbst-Verstandes kann tatsächlich nur mit Aufmerksamkeit, langsam und Stück für Stück, aufgelöst werden. Die neurologischen Spuren werden nicht einfach glattgebügelt, aber wir müssen nicht mehr jedesmal wie Coyote drüberstolpern. Wir können uns Schilder hinstellen: Achtung, Gefahr! Wir können achtsamer werden.

Selbstliebe

Das schließt auch die Selbstliebe mit ein. Das ist kein narzisstischer Prozess, sondern ein jahrelang geübtes Stück aus Bewusstheit, Erkenntnis, Erforschung, Ausprobieren, Einsinkenlassen und irgendwann Leben einer neuen Haltung, die im Verhalten nach außen tritt, mehr und mehr. Frieden heißt dann innerer Frieden: Ich erkenne mich an, mit allen Fähigkeiten, Verletzlichkeiten, Begrenzungen und Überforderungen. Ich erkenne mein SoSein an und kämpfe nicht mehr wie wild an der Oberfläche meiner Verstrickungen und im Außen.

Das erfordert Geduld, Behutsamkeit, und die Erkenntnis, dass auf dieser Ebene niemand etwas leisten muss. Es erfordert auch Achtsamkeit und Milde, wenn wir doch mal wieder auf den tausendköpfigen Affen reingefallen sind.

Unser Nicht-Selbst-Verstand

Unser Nicht-Selbst-Verstand verdient auch eine Portion Lächeln und Humor. Er ist ja selbst meist bierernst und deutet jedes Lachen als Auslachen, als Scheitern. Wir können ihm aber den Spiegel vorhalten und ihm sanft erklären, was er da gerade in unterschiedlichsten Bildern immer wieder treibt. Welche Geschichten er am Laufen hält.

Dass er sich verkleidet, z.B.

  • als Existenzangst
  • als Anpassungsdruck, um weiter zur Gruppe dazuzugehören
  • als Angst um das Überleben oder die Gesundheit
  • als Vermeidungsstrategie gegen jeglichen Schmerz und gegen die Begegnung mit alten Wunden
  • als falsche Projektionen, die dann als Introjektionen wie eingeimpft übernommen und zutiefst geglaubt wurden
  • als bodenlose Angst, nicht gut genug zu sein, mitsamt all den schrecklichen Kompensationen
  • als Glaubenssätze, wie unser Leben, unsere Arbeit, unsere Beziehung auszusehen hat, weil man das nun mal so macht,
  • als Unbehagen, übersehen zu werden, allein zu sein, unerkannt und ungewünscht, und und und und.

Und all das ist menschlich.

Aber auch andersrum: Der Verstand ist so leicht verführbar, so leicht! Wir müssen ihn nicht immer zwingen, er ist ganz leicht anlockbar. Er geht freiwillig in die Falle, er geht freiwillig in den Käfig, wenn dieser Käfig denn gut geschmückt ist mit schönen Bildern und Narrativen. Wir merken nicht mal, dass die Falle zugeschnappt ist. Wir merken es nicht einmal. Wir sind alle Affen im Zoo, halten uns für frei und zugehörig, während wir die Attrappen des Käfigs für den Urwald halten und die hingeworfenen Bananen als eigenen Verdienst. Wir glauben denen, die sagen

„Folge mir nach, denn dann wirst du…“

  • sicher sein
  • gesund bleiben
  • glücklich werden
  • weniger arbeiten müssen
  • einen besseren Partner finden
  • anerkannt sein
  • viel Geld verdienen
  • unabhängig und frei sein
  • jemand sein
  • gesehen werden
  • usw. usf.

Mit unserem Verstand ist es wie mit den guten und schlechten Werbespots. Bei den schlechten merken wir noch die Lüge und die Manipulation, bei den guten sind wir hiflos verloren, wenn wir keine innere Orientierung haben.

Unser Verstand ist immer der Fallstrick, weil er so manipulierbar, so tief konditionierbar ist. Er maskiert sich als Angst, Druck, notwendge Abwehr, Emotion, Sorgen, Vernunft, Alternativlsoigkeit oder als tieferer Sinn, als Versprechen, als Projektion einer glücklichen Zukunft. Jede Kultur, jede menschliche Gemeinschaft konditioniert ihre Mitglieder hinein in den Einheitsbrei. Das ist weder bösartig noch einer äußeren Macht geschuldet. Es ist Teil unsere Welt, sosehr, dass es uns nie auffällt, außer durch dieses leise Unbehagen, das sich immer mal wieder einschleicht wie ein böser Alpdruck.

Das Entkleiden der falschen Muster ist Friedensarbeit im Inneren

Das Entkleiden all dieser falschen (weil äußerlich antrainierten) Muster dauert auch unter günstigen Umständen so seine Weile, und wir stellen uns besser auf einen langen Geländeweg ein statt auf einen Rakentenflug mit ein bisschen Zeitreise. Dann sind wir auch nicht so enttäuscht, wenn wir auf Hindernisse treffen und wir keinem Piloten die Verantwortung für unsere Landung geben können

Zwiebelschalenweise legen wir so langsam die falschen Muster ab und unsere wirklich eigenen Muster frei, werden achtsamer, schauen genauer hin und prüfen uns regelmäßig, legen Rechenschaft vor uns selber ab und vor niemandem sonst. Dann fallen uns auch mehr und mehr die Verlockungen im Außen als solche auf: Dass sie Hüllen sind, Ersatz für das eigenen Leben, doch immer leer und auf unbeschreibbare Werse unbefriedigend. Das sind sie Dinge, die immer einen faden Geschmack im Mund hinterlassen.

Dein Leben hat Anteil am „großen Leben“

Das echte Leben, nämlich dein Leben, wird im Gegensatz zum gelenkten Dasein aus dir selbst angetrieben. Du, also dein gesamtes Körpergeistsystem, ist ein sich-selbst-organisierendes Lebewesen, das immer angeschlossen an das „große Leben“. Du brauchst weder Zuckerbrot noch Peitsche, weder Verführung noch Ängstigung. Du entstehst aus dir selbst, dein Leben erwächst mit allen Sinnen aus sich selbst heraus.

Das heißt eben nicht, dass es nicht auch mal dreckig wird, schmerzhaft oder einfach unangenehm. Aber es wird zu deinem Leben. Und wenn du dich annimmst, nimmt dein Leben dich auch an. Dann ist Frieden in dir, echter Frieden.

Vom inneren zum äußeren Frieden

Und jetzt fang mal an zu träumen, was das für eine Welt wäre, wenn wir uns anstatt gegenseitig zu manipulieren und auszusaugen und gleichzuschalten, uns in all unserer Sonderbarkeit, Individualität und Schönheit gegenseitig wahrnehmen und annehmen könnten. Ich muss nicht alles mögen, was du tust oder was du sagst, aber ich kann dich annehmen als ein Wesen, das wie ich einfach nur dazugehört, weil es genauso seine Berechtigung zum Leben hat wie ich und weil es ist wie es ist.